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Der deutsche Jude Shai Hoffmann besucht Schulen, um mit Schülern über den Nahostkonflikt zu sprechen
Folgender Artikel erschien in der WAZ - Jenny Beck:
Nach der Zeugnisausgabe bleiben rund 30 Schülerinnen und Schüler des Walter-Gropius-Berufskollegs am vergangenen Freitag länger. Der Grund: Ein Jude und eine Deutsch-Palästinenserin kommen zu Besuch, um mit ihnen über den Nahostkonflikt zu sprechen.
Als es schließlich losgeht, steht Shai Hoffmann dort allein. Seine Kollegin Jouanna Hassoun hat sich abgemeldet – zu emotional aufwühlend
sei der vorherige Schulbesuch in Dortmund gewesen, sie müsse sich schonen. Solche Momente kommen auch nach 55 Veranstaltungen an Schulen noch vor.Schließlich haben sowohl Hassoun als auch Hoffmann einen persönlichen Bezug: Hoffmann ist deutscher Jude mit israelischen Wurzeln und Familie vor Ort. Hassouns Eltern sind 1947 aus Palästina geflohen. Die Verbindung zu Israel und Palästina bringen sie seit Jahren in die gemeinsame Arbeit ein.
Nach einer unpolitischen Vergangenheit und Karriere als Schauspieler und Musiker fand Hoffmann 2017 zum Aktivismus. Als er seine Motivation an diesem Freitag erklärt, tut er das mit einer Frage: „Wer im Raum hat mindestens ein Elternteil, was nicht hier geboren ist?“ Etwas weniger als die Hälfte der anwesenden Schülerinnen und Schüler des Walter-Gropius-Berufskollegs hebt die Hand. „Uns will diese Partei aus Deutschland raushaben“, sagt der 41-Jährige, während er seine eigene Hand wieder senkt.
Bus der Begegnungen
„Diese Partei“, Hoffmann nennt sie nicht beim Namen, aber allen ist klar, dass die AfD gemeint ist. Sie habe ihn 2015 zur Aktion bewegt. 2017 startete er dann den „Bus der Begegnungen“, fuhr quer durch Deutschland auf der Suche nach Antworten.
Seit 2019 produziert er nun gemeinsam mit Sozialmanagerin Jouanna Hassoun Bildungsvideos zum Nahostkonflikt. Am 25. Oktober führten sie angetrieben vom Hamas-Terror und dem Gaza-Krieg den ersten Trialog an einer Schule durch.
„Trialoge“ nennen die beiden die Veranstaltungen, weil sie gemeinsam in den Austausch mit den Schülerinnen und Schülern treten.
So startet Hoffmann dann auch mit einigen Fragen, die er ihnen stellt. Die erste: Was fällt ihnen ein, wenn sie an Israel und Palästina denken? Die Antworten beziehen sich allesamt auf den Konflikt: „Hass“, sagt ein Schüler. Seine Klassenkameraden ergänzen: Geiseln, Kinder, Gaza, Juden und Muslime, Medien, Unwissenheit und Ungerechtigkeit.
Etwas später bittet Hoffmann die Schüler aufzustehen. In der Mitte des großen Stuhlkreises hat er einige Folien auf dem Boden ausgebreitet. Auf ihnen stehen verschiedene Emotionen. Die Schüler sollen sie sich ansehen und überlegen, welche Emotion bei ihnen in Hinblick auf den Gaza-Krieg am ehesten zutrifft.
Ein Schüler beschreibt seine Reaktion auf den 7. Oktober und die Monate danach als „geschockt“. Ihm sei es zu viel, dass Leute angegriffen würden, die nicht beteiligt sind. Ein Mitschüler teilt diese Ansicht. Er fühlt sich überfordert, habe zwei Wochen lang nichts von der Situation in Nahost mitbekommen – bis sie dann in der Schule thematisiert wurde.
Ein weiterer sei enttäuscht, er hält die Berichterstattung für einseitig. Immer mal wieder zielen Kommentare der Schüler in eine Richtung, die Hoffmann im Nachgang einordnet. So sagt der Schüler weiter, den israelischen Geiseln sei es gut ergangen, wohingegen einige Palästinenser seit zehn, 15 Jahren in Israel eingesperrt seien.
Hoffmann beweist in diesen Situationen Mitgefühl und Geduld. Er lässt die Schülerinnen und Schüler ausreden, bringt ihnen Verständnis entgegen, stellt Falschaussagen dann bestimmt richtig. So erklärt er im Anschluss an die Aussage desSchülers, dass die Hamas natürlich ein Interesse habe, die israelischen Geiseln gut zu behandeln. Schließlich werden sie als Druckmittel benutzt. Zugleich spricht er Gewalttaten gegenüber israelischen Frauen an, betont, dass Ärzte ohne Grenzen israelische Geiseln nicht behandeln durften.
Immer wieder ruft Hoffmann auf diese Weise zu einer differenzierten und reflektierten Sichtweise auf. „Was am und nach dem 7. Oktober passiert ist, ist sowohl für Israel als auch für Palästina das Schlimmste, was ihnen in den letzten Jahrzehnten passiert ist“, sagt er.
Das Leid auf beiden Seiten müsse nebeneinander stehen können, ohne eine Seite zu verharmlosen. Zwar könne man durchaus hinterfragen, ob Israels Reaktion auf die Angriffe des 7. Oktobers verhältnismäßig ist, zugleich habe Israel das Recht, sich zu verteidigen, so Hoffmann. Und: „Die Hamas hat – da sind Jouanna und ich uns einig – nichts mit Freiheitskampf zu tun.“
Obwohl Hoffmann an diesem Tag allein auftritt – als deutscher Jude mit israelischen Wurzeln, von Antisemitismus betroffen und mit Familie vor Ort – hält er die Waage.
Zu Ende der Veranstaltung fragt ein Schüler schließlich, wie er handeln solle, wenn er nicht wirklich wisse, was in Nahost vorgeht. Hoffmann empfiehlt genau das: die Waage halten. „Wir sollten denen, die betroffen sind, zuhören. Das haben viele verlernt“, sagt er. Nur so habe man eine Chance, die vielen Realitäten und Meinungen zu verstehen, die es zum Gaza-Krieg gibt. Denn auch das ist Hoffmann bewusst: Seine Realität unterscheidet sich von der anderer Juden und Israelis. „Das Judentum ist so divers wie der Islam“, so der 41-Jährige.
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